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Die Ziege oder Wer ist Sylvia?

// Edward Albee, P.: 26. März 2016, Theater … und so fort München. Gefördert durch das Kulturreferat der Landeshauptstadt München, mit freundlicher Unterstützung von THETA e.V.
Gastspiel: Eingeladen zu den 12. Wasserburger Theatertage 2016 (Darstellerpreis für Heiko Dietz)

Martin ist ein erfolgreicher und preisgekrönter Architekt. Er und seine Frau Stevie haben kürzlich eine Farm gekauft, ein Landdomizil, das Refugium und Krönung ihrer wunderbaren und beständigen Verbindung sein soll, in der fast ein Vierteljahrhundert lang keiner der Partner je das Bedürfnis zum Seitensprung verspürt hat. Eine unerwartete Begegnung auf dem Lande aber bringt Risse ins Ehe-Idyll. Martin entflammt in unentrinnbarer Leidenschaft für eine Ziege und stürzt sich in seine erste außereheliche Beziehung. Die alte Geschichte vom Zerbrechen einer heilen Welt nimmt ihren Lauf und Edward Albee erzählt sie neu, komisch und tragisch zugleich.

Mit: Katja Amberger, Heiko Dietz, Uwe Kosubek, Maximilian Pelz
Regie: Johanna Hasse
Bühne: Andreas Arneth
Kostüme: Sanna Dembowski
Dramaturgie: Lyla Cestier

// Presse

Eigentlich hat der Stararchitekt Martin Gray alles, was sich ein Mann in den besten Jahren wünscht: Erfolg im Beruf, eine wunderbare Familie. Sein Leben schien perfekt zu sein, bis er Sylvia traf. Beim ersten Blick in ihre Augen war es um ihn geschehen. Wenn Menschen nichts mehr zu wünschen übrig bleibt, dann flirten sie gern mit dem Unglück. Sie stürzen sich in Risikosportarten oder fatale Affären. Doch es ist kein alltäglicher Ausbruch aus der Routine dauerhaften Glücks, von dem Edward Albees Stück „Die Ziege oder Wer ist Sylvia?“ erzählt, das Johanna Hasse im Theater… und so fort inszeniert hat.
Das Geschöpf, das in der Mischung aus boulevardesker Komödie, Gesellschaftssatire und Tragödie Martin den Kopf verdreht hat, ist eine Ziege. Durch die Enthüllung seiner Passion bricht die liberale Fassade der Wohlstandsbürger zusammen. Sein schwuler Sohn (Maximilian Pelz) beschimpft ihn als „Perversling“. Seine in rationalen Konfliktlösungsstrategien geübte Frau (Katja Amberger) rastet aus und ermordet seine Geliebte. Am Ende sind die Wohnung und das Leben der Grays ein Trümmerhaufen. Süddeutsche Zeitung, 29. März 2016

Martin Gray müsste es gut gehen: Der Stararchitekt wurde für den Pritzker-Preis nominiert. Aber irgendwas quält ihn so, dass er beim Interview mit dem befreundeten Journalisten Ross völlig zerfahren ist. Er offenbart sich seinem Freund – er hat sich, obwohl seit Jahren glücklich und treu verheiratet, unsterblich verliebt. Es war ein tiefer Blick in sanfte Augen, und nun denkt Martin nur noch an Sylvia. So was kommt in den besten Ehen vor. Das einzige Problem: Sylvia ist eine Ziege. Da denkt man sofort an Woody Allens Episodenfilm “Was Sie schon immer über Sex wissen wollten …” von 1972, in dem ein Arzt ein Schaf liebt.
Und anfangs gibt sich Edward Albees Stück “Die Ziege oder Wer ist Sylvia?” auch mit viel Wortwitz ziemlich komödiantisch und etwas boulevardesk. Aber es trägt den Untertitel “Anmerkungen zu einer Definition des Tragischen”, und den nimmt Regisseurin Johanna Hasse im Theater … und so fort sehr ernst. Als Martin (Uwe Kosubek) endlich seiner fürsorglichen Ehefrau Stevie (Katja Amberger) alles gesteht und pathetisch von seiner Seelenverwandtschaft mit Sylvia und seiner tiefen Liebe zu ihr schwärmt, kippt die Geschichte allmählich. Eine Untreue wäre zu verschmerzen, aber Sodomie? Das kann keiner verstehen. Der 17-jährige schwule Sohn Billy (Maximilian Pelz) rastet aus, Stevie verliert nach und nach die Kontrolle.
Edward Albee (“Wer hat Angst vor Virginia Woolf?”) wirft in seinem 2002 uraufgeführten Stück heikle Fragen nach unserem Moralverständnis auf, aber er dekliniert sie nicht durch und fällt kein Urteil, sondern lässt sie in der Schwebe. Münchner Feuilleton, Nr. 51/April 2016

Die 12. Wasserburger Theatertage endeten gestern Abend. Die Jury tagte gleich im Anschluss an die letzte Vorstellung und kam zu folgendem Ergebnis: In diesem Jahr gibt es drei Darstellerpreise. Diese drei mit jeweils 1000 Euro dotierten Preise, die vom Landkreis Rosenheim und vom Verband Freie Darstellende Künste Bayern vergeben werden, gehen an Bernd Berleb, Hilmar Henjes und Heiko Dietz. Bernd Berleb wird für den Monolog „Novecento – Die Legende vom Ozeanpianisten“ ausgezeichnet, ein Beitrag des Landestheaters Dinkelsbühl. Regie führte Frank Piotraschke. Hilmar Henjes erhält den Preis für seine Leistung in „Draußen vor der Tür“, dem Eigenbeitrag des Theaters Wasserburg in der Regie von Nik Mayr. Heiko Dietz überzeugte die Jury in „Die Ziege oder Wer ist Sylvia?“. Das „Theater … und so fort“ München hat sich mit diesem Albee-Stück in der Regie von Johanna Hasse auf den 12. Wasserburger Theatertagen gezeigt. Wasserburger Stimme, 9. Mai 2016